Liebe Leser*innen,
auch unsere Konferenz „Jugendpolitik auf Kurs?!“ mussten wir aufgrund der Risiken der Covid-19-Infektionswelle leider absagen. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ hatte dazu eingeladen, die vielfältigen Aspekte von Jugendpolitik auf verschiedenen Ebenen in den Blick zu nehmen, um die vielen engagierten Akteure zu vernetzen. Als Veranstalter*in bedauern wir sehr, dass die geplanten Diskurse zum Thema und vor allem der persönliche und fachliche Austausch, für den die AGJ steht, in diesem Rahmen nicht stattfinden konnten.
Gleichzeitig ist uns daran gelegen, die Inhalte und Themen der Veranstaltung dennoch allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Darum fragen wir hier, im digitalen Raum, nun: Ist die derzeitige Jugendpolitik „auf Kurs?!“ Und die Frage stellen wir in alle Richtungen – denn jugendpolitisch bewegt sich in unserem Land (und darüber hinaus) gerade äußerst viel.
Ein besonderer jugendpolitischer Meilenstein wurde erst vor kurzem erreicht: der Kabinettsbeschluss zur gemeinsamen Jugendstrategie der Bundesregierung, welche große Erwartungen an die künftige politische Ausrichtung weckt – denn sie macht für alle Ministerien sichtbar, dass Jugendpolitik in jedem Politikfeld steckt – und deshalb einem gemeinsamen Ansatz folgen muss. Deutschland schließt damit zu einer Reihe anderer europäischer Länder wie Frankreich, Österreich und Irland auf. Gleichzeitig werden wir alle gefordert sein, die tatsächlichen Wirkungen der Jugendstrategie auf das Leben junger Menschen, aber beispielsweise auch auf die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte, die Jugendliche begleiten und unterstützen, zu beobachten. Denn der Kabinettsbeschluss ist in erster Linie ein Startschuss für viele Maßnahmen, die jetzt folgen können und sollen.
Die Länder setzen ebenfalls wichtige Rahmenbedingungen für erfolgreiche Jugendpolitik – etwa mit Entschließungen, Landesstrategien, Wahlaltersabsenkung, umfassenden Beteiligungsrechten und einer Politik, welche die Lebensphase Jugend in den Blick nimmt. Dies wird beispielsweise durch Jugendberichte und erweiterte Mitwirkungsmöglichkeiten auf Landesebene erkennbar. Die in immer mehr Ländern sich gründenden so genannten Heimbeiräte junger Menschen in den Hilfen zur Erziehung sind ein Beispiel dafür, dass Jugendpolitik auch in Bereiche hineinreichen kann, die bislang eher nicht in den Blick genommen worden sind. Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Länder, auch die kommunalen Ordnungen so zu gestalten, dass junge Menschen als wertgeschätzte, aktive Bürger*innen ihrer Heimatorte aufwachsen können.
Denn vor allem die Kommunen haben eine große jugendpolitische Verantwortung, da diese Ebene den Jugendlichen am nächsten ist – hier gibt es momentan die konkretesten Mitbestimmungsmöglichkeiten, hier wird Jugendpolitik erlebbar – in den Familien, den (Selbst-)organisationen und Vereinen, in den kommunalen Gremien und durch zahlreiche Initiativen. Unsere Kommunen sind ein Fundament unserer Demokratie, das gilt nicht nur aus jugendpolitischer Sicht.
Ebenso spielt die europäische Dimension in jugendlichen Lebenswelten eine Rolle, und sie beeinflusst auch die fachlichen Diskurse, die wir in Deutschland und mit Kolleg*innen aus dem europäischen Ausland führen wollen und werden, unter anderem im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und beim nächsten Kinder- und Jugendhilfetag in Essen im Mai 2021. Wir dürfen den europäischen Austausch, die geteilten europäischen Werte, nicht als gegeben betrachten, sondern müssen sie lebendig halten und verteidigen - insbesondere die Werte, für die gerade die Kinder- und Jugendhilfe steht, wie Demokratie, Offenheit, Vielfalt, Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt.
Die hier digital aufbereiteten Konferenzinhalte verdeutlichen einmal mehr, dass Jugendpolitik eine gemeinsame Aufgabe in der Verantwortung aller ist.
Nutzen Sie dieses Angebot, um die aktuellen Themen im jugendpolitischen Raum genauer in den Blick zu nehmen und über Strategien, Instrumente und Aktivitäten zu reflektieren, auch wenn wir diese momentan nicht so einfach in Persona gemeinsam diskutieren können.
Die Zusammenfassung orientiert sich am geplanten Ablauf der Konferenz. Nach den inhaltlichen Fachdiskursen der Akteursperspektive haben wir beispielsweise abschließend noch einmal den Blick konkret auf diejenigen gerichtet, um die es in unserem Handeln geht: die Jugendlichen und ihre Lebenswelt(en), die derzeit stark von umweltpolitischem Engagement geprägt sind. Die Eigenständige Jugendpolitik fordert uns deutlich auf, dass die Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen handlungsleitend für das Tun der Jugendpolitik sowie der Kinder- und Jugendhilfe sind. Am Ende der Konferenz war im Übrigen ein Tagungsresümee geplant, bei dem ich in diesem Sinne meinen Appell an alle Akteur*innen richten wollte, gemeinsam weiter im Sinne von Jugendinteressen zu handeln. Dieses Anliegen möchte ich auch hier unterstreichen.
Die AGJ wird die laufenden jugendpolitischen Diskurse weiter begleiten und Informationen dazu bündeln. Unser Projekt, die Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik, steht für einen weiteren Austausch und Vernetzung gerne bereit.
Ich wünsche Ihnen zunächst ein erkenntnisreiches Lesen, Hören und Ansehen der Beiträge und das hoffentlich bei bester Gesundheit.
Prof. Dr. Karin Böllert – Vorsitzende der AGJ
www.agj.de