Die European Youth Work Agenda, deren Umsetzung nach drei vorbereitenden Conventions schließlich 2020 beschlossen wurde, bietet einen Rahmen für inter- und transnationale Perspektiven auf die professionelle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Die AGJ hält die European Youth Work Agenda für eine Chance zur Stärkung von Youth Work in Deutschland und Europa. Sie kann Rückenwind für die bereits stattfindenden Aktivitäten in allen Bereichen des Arbeitsfeldes bedeuten und neue Impulse geben. Sie kann die unternommenen Anstrengungen sichtbarer machen und damit Anerkennung fördern, aber auch Leerstellen aufzeigen, an denen nicht nur Engagement durch einzelne Initiativen gefragt ist, sondern eine Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen durch Politik und Verwaltung. Jedoch wird diese Chance, die die European Youth Work Agenda bietet, bislang in Deutschland kaum als Chance begriffen und nur unzureichend genutzt.
Im vorliegenden Diskussionspapier werden daher zunächst der Hintergrund und der Inhalt des Umsetzungsprozesses der Agenda – des sogenannten „Bonn-Prozesses“ – vorgestellt. Danach identifiziert die AGJ drei Aspekte und Fragestellungen, die in Deutschland häufig unterschiedlich interpretiert werden und so einem klaren Verständnis der Agenda im Weg stehen: Wieso ist der Begriff „Youth Work“ auch in Deutschland wichtig, welche Aktivitäten zählen zum Umsetzungsprozess, und handelt es sich um einen Top-down- oder einen Bottom-up-Prozess? Schließlich werden mit dem Ziel, die Umsetzung der Agenda zu unterstützen, Empfehlungen an alle an Youth Work beteiligten Akteur*innen in Deutschland, an die den Bonn-Prozess begleitenden Gremien sowie an die Jugendministerien von Bund und Ländern formuliert – verbunden mit dem Aufruf, im Rahmen des jeweils Möglichen einen Teil zum Erfolg der Umsetzung der European Youth Work Agenda beizutragen.
Konkret empfiehlt die AGJ:
- Alle an Youth Work beteiligten Akteur*innen sollten gemeinsam den begrifflichen Umfang des als Bonn-Prozess bekannten Umsetzungsprozesses der European Youth Work Agenda aushandeln (siehe Kapitel 3.1.2). Dies trüge nach Ansicht der AGJ dazu bei, sowohl ein besseres Verständnis der European Youth Work Agenda als auch ihre Umsetzung zu fördern.
- Alle an Youth Work beteiligten Akteur*innen sollten gemeinsam Verantwortung übernehmen für die Umsetzung der European Youth Work Agenda. Diese Verantwortungsübernahme sollte auf dem Verständnis fußen, dass der Umsetzungsprozess von dialogischer Aushandlung, von Austausch und Wissenstransfer geprägt sein und entsprechend Bedarfe von allen Ebenen aufnehmen sollte. Die Agenda bietet angesichts der Themenfülle einen Rahmen, in dem alle Akteur*innen mit ihrer Expertise, ihren Themen, Bedarfen und Herausforderungen Platz finden.
- Die die Umsetzung unterstützenden Gremien sollten ihre Aufgaben, ihre Zusammenarbeit sowie die Grenzen ihres Mandates gegenüber den jeweiligen Zielgruppen klar kommunizieren.
- Die die Umsetzung unterstützenden Gremien sollten den Transfer von Wissen und Themen sowohl bottom-up als auch top-down befördern. Die Ausgestaltung des Umsetzungsprozesses sollte sich an den Themen, Herausforderungen und Bedürfnissen von sowohl jungen Menschen selbst als auch Youth Worker*innen insbesondere auf der kommunalen Ebene orientieren.
- Das BMFSFJ und die zuständigen Länderministerien sollten querschnittliche Verantwortung übernehmen: Die European Youth Work Agenda adressiert alle politischen Ebenen und betrifft ressortübergreifend sehr unterschiedlichen Themen.
- Das BMFSFJ und die zuständigen Länderministerien sollten deutlich machen, was der spezifische Beitrag der European Youth Work Agenda zur Weiterentwicklung von Youth Work in Deutschland gegenüber den bisherigen Bemühungen zur Stärkung, Anerkennung und Sichtbarmachung des Arbeitsfeldes ist.
- Das BMFSFJ und die zuständigen Länderministerien sollten die Einbettung der European Youth Work Agenda in eine politische Strategie – etwa in die Jugendstrategien der Bundesregierung und der Länder – bzw. die Nutzung dieser Strategien für die Weiterentwicklung von Youth Work erwägen.
Quelle: Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ, 7. März 2023