Im Rahmen erster Online-Befragungen wurden bereits im Frühjahr Jugendliche dazu befragt, wie sie den ersten Lockdown erlebt haben und welche Konsequenzen sich daraus für ihr Leben ergeben. Im November 2020 wurde eine zweite bundesweite Online-Befragung vom Forschungsverbund "Kindheit - Jugend - Familie in der Corona-Zeit" durchgeführt, an welcher über 7.000 junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren teilgenommen haben. Auch in der zweiten Infektionswelle im Herbst / Winter 2020 haben junge Menschen den Eindruck, dass ihre Situation wenig Beachtung findet. Den Autor*innen der Befragung stellte sich daher die Frage, wie es den jungen Menschen nach einem Dreivierteljahr Corona-Krise geht.
Sorgenvoller Blick in die Zukunft am Ende von 2020
Der Blick in die Zukunft sei bei den jungen Menschen von Sorgen geprägt. So stimmten 45 % der Befragten der Aussage eher oder voll zu, dass sie Angst vor der Zukunft hätten. Die Ergebnisse der Befragungen zeigen aber auch, dass sich junge Menschen nicht nur um ihre eigene Zukunft Gedanken machen würden, sondern auch um gesellschaftliche und globale Folgen der Pandemie.
Persönliche soziale Kontakte fehlen
Jugendliche hätten in den letzten Monaten radikal andere Erfahrungen gemacht, sich und andere kennenzulernen. Über ein Drittel der Befragten gab an, dass sie sich in der aktuellen Situation einsam fühlten. Junge Menschen haben jedoch das Bedürfnis gemeinsam mit ihren Peers ihre Umwelt zu entdecken und zu gestalten. Dieses Bedürfnis finde jedoch zur Zeit kaum Raum in öffentlichen Diskussionen und würde oft negativ bewertet. Angesichts der aktuellen Pandemie sei dies nachvollziehbar, jedoch würden dadurch die psychosozialen Folgen der biografisch wichtigen Selbsterkundung im Jugendalter und der ausgebremsten gesellschaftlichen Positionierung ausgeblendet.
Gehört und einbezogen werden
Der Befund, dass junge Menschen das Gefühl haben, nicht gehört zu werden, habe sich mit Vergleich zum Frühjahr noch weiter verstärkt. 60 % der Befragten gaben an, dass sie den Eindruck hätten, die Situation der jungen Menschen sei Politiker*innen nicht wichtig. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich Jugendliche nicht sicher sein können, an politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen beteiligt zu werden. Die jungen Menschen befürworteten, dass die Schulen lange offen gehalten wurden, da dieser Ort von wichtiger sozialer Bedeutung für sie sei und nicht nur ein Ort der Bildung. Sie problematisieren jedoch die Umsetzung und eine fehlende Beteiligung an der Konkretisierung der Hygienemaßnahmen, wie auch eine zu geringe Wertschätzung von anderen Lebensbereichen und Aktivitäten junger Menschen.
Jugendalltag 202o und 2021
Die Forscher*innen kritisieren, dass junge Menschen nicht nach ihren Erfahrungen und Meinungen gefragt würden. Sie fordern, dass Jugendbeteiligung gerade jetzt auf den unterschiedlichen Ebenen gestärkt werden müsse. Junge Menschen sollten in Gremien und im politischen Alltag viel stärker involviert werden und ihre Mitbestimmung in der Ausgestaltung der Corona-Maßnahmen gefördert werden, denn schließlich sei auch ihr Leben maßgeblich von den Einschränkungen und Entscheidungen geprägt.
Im Winter 2020 werde viel diskutiert über die "Corona-Jugend" und ob die Pandemie zu einer prägenden Erfahrung für eine ganze Generation werden könne. Die Autor*innen der JuCo 2 halten diese Diskussionen jedoch für verfrüht und distanzieren sich von dieser Einschätzung. Diese Zuschreibung spreche den jungen Menschen die Kompetenz ab aktiv ihre eigene Umgebung mitzugestalten und gesellschaftliche Akteur*innen zu sein. Junge Menschen haben eine starke und ernstzunehmende Stimme – sie würden nur kaum gehört. Es sei jedoch an der Zeit, junge Menschen nicht länger zu ignorieren und ihre Stimmen hörbar zu machen. Denn die Erwachsenen würden in der Verantwortung stehen, den jungen Menschen Räume zu schaffen, um miteinander in den Dialog zu treten und mit den jungen Menschen gemeinsam die Jugend 2021 zu gestalten.
Nur wenn (politische) Entscheidungsträger*innen ihre Haltung gegenüber der jungen Generation reflektierten und Strukturen der Beteiligung schaffen würden, könne es gelingen, dass der Jugendalltag 2021 den Rechten und Bedarfen junger Menschen – auch in Krisenzeiten – gerecht würde.
Das Papier "Die Corona-Pandemie hat mir wertvolle Zeit genommen" kann hier heruntergeladen werden.
Quelle: Stiftung Universität Hildesheim