In der Pandemiesituation hat sich gezeigt, dass die Krise die besonders benachteiligten Jugendlichen auch besonders hart getroffen hat und Jugendarmut weiterhin ein großes Problem darstellt. Wie sollte dieses Thema Ihrer Meinung nach angegangen werden?
Die Corona-Pandemie hat gravierende Schwachstellen in der Familien- und Bildungspolitik offenbart. Seit Jahren ist bekannt, dass Leistungen, wie z.B. des Bildung- und Teilhabepaketes oder der Kinderzuschlag, nicht verlässlich bei denen ankommen, die darauf einen Anspruch haben. Seit Jahren tut die Bundesregierung zu wenig dagegen. Wir Freien Demokraten fordern daher ein Kinderchancengeld. Dieses soll einen Rechtsanspruch des Kindes begründen und dazu führen, dass alle Leistungen automatisch ausgezahlt werden. Dadurch bauen wir abschreckende und unnötige Bürokratie ab und stellen gleichzeitig sicher, dass Leistungen auch verlässlich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Auch unser Bildungssystem war völlig unzureichend auf die Pandemiesituation vorbereitet. Hohe bürokratische Hürden führen dazu, dass wichtige Finanzmittel des Digitalpaktes nicht abgerufen wurden und werden. Als Freier Demokrat sind meine Prioritäten daher klar: Ein Kinderchancengeld, damit Leistungen bei allen Berechtigten auch ankommen und gleichzeitig eine massive Stärkung des Bildungssystems, um Chancen und Talente zu fördern - unabhängig von der Herkunft.
Welche jugendpolitischen Schwerpunkte setzt Ihre Partei für die kommende Legislaturperiode?
Ein Schwerpunkt ist die Aufarbeitung der Pandemie. Wir fordern eine umfassende Bestandsaufnahme über die Folgen der Pandemie für die junge Generation. Dies geht über die psychischen und physischen Folgen bis hin zu den Auswirkungen in der Bildung. Nur, wenn wir eine solche Grundlage haben, können wir gezielt fördern und unterstützten. Diese Chance lässt die Bundesregierung gerade verstreichen. Über die Pandemiefolgen hinaus, setzen wir Freien Demokraten uns für mehr politische Partizipation ein - beispielsweise durch eine Absenkung des Wahlalters bei Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre. Das ist für mich der Dreiklang, der für unsere junge Generation von zentraler Bedeutung ist: Verlässliche Unterstützung und Teilhabe, massive Investitionen in Bildungschancen und eine entschiedene Stärkung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen.
In der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode gab es erstmals eine ressortübergreifende Jugendstrategie der Bundesregierung. Wie würden Sie die Jugendstrategie in der kommenden Legislaturperiode weiterentwickeln?
Die Einführung einer Jugendstrategie ist grundsätzlich positiv. Dennoch kann dies nur ein erster Schritt sein. Denn die Maßnahmen der Jugendstrategie müssen auch nachvollziehbar sein und die junge Generation muss einsehen können, welche konkreten Initiativen zu welchen Themenfeldern umgesetzt wurden. Zudem kennen viele junge Menschen die Jugendstrategie schlicht nicht. Auch der Jugendcheck für Gesetzesvorhaben ist ein sinnvolles Instrument, um auf die Auswirkungen auf künftige Generationen hinzuweisen. Die Idee eines für alle Ressorts verpflichtenden Jugendchecks halte ich für eine Erweiterung, die die neue Bundesregierung eingehend prüfen sollte.
Jugendliche fordern oft bessere Beteiligungsmöglichkeiten an den für sie relevanten politischen Entscheidungen, auch auf Bundesebene. Was können Sie sich da vorstellen?
Zum einen unterstütze ich ausdrücklich die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für Bundestags- und Europawahlen. Dies ist meiner Meinung nach ein Kernpunkt zu mehr Beteiligung. Darüber hinaus werde ich mich dafür einsetzen, dass in der nächsten Wahlperiode eine "Kinderfragestunde" im Deutschen Bundestag eingeführt wird. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Kinderkommission und dem Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble habe ich ein Konzept erarbeitet, das es Schülerinnen und Schülern der 7. und 8. Jahrgangsstufen ermöglicht, jedes Jahr die Bundesregierung im Plenarsaal des Bundestages zu befragen. In den Niederlanden gibt es eine solche "Kinderfragestunde" bereits - ich finde, das ist eine tolle Ergänzung auch für uns in Deutschland.
Das Verfassungsgerichtsurteil zum Klimagesetz hat das Thema Generationengerechtigkeit auf die Tagesordnung gebracht. Wie will Ihre Partei mit den unterschiedlichen Interessen der Generationen in Deutschland umgehen?
Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sind zwei Eckpfeiler einer liberalen, zukunftsfähigen Politik. Dazu gehört ohne Zweifel der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Für mich als Freien Demokraten gilt: Wir müssen generationengerechte Politik ganzheitlich denken. Das bedeutet zum einen, dass wir uns im Klima- und Umweltschutz mehr anstrengen müssen. Zum anderen müssen wir Klima- und Umweltpolitik ebenfalls nachhaltig denken. Und das heißt, dass wir uns heute darüber Gedanken machen müssen, wie wir die Kosten des Klimaschutzes ebenfalls generationengerecht ausgestalten können. Dafür müssen wir für Innovations- und Technologieoffenheit werben. So fordern wir Freien Demokraten beispielsweise, einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens in die Bildung zu investieren - nach derzeitigem Stand wären dies rund 2,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Modernisierung unseres Bildungssystems. Durch Technologieoffenheit und Investitionen in Bildung und Innovation können wir gemeinsam die Zukunftstechnologien von Morgen schaffen - für gleichzeitigen Klima- und Wohlstandsschutz.
Wir bedanken uns für das Interview!
jugendgerecht.de - Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik - August 2021