Jugendpolitik in den Ländern
Wir haben uns mit Martin Gneist (Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt) und Yvonne Griep (Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern) über die Jugendpolitik in ihren jeweiligen Ländern unterhalten.
Welche jugendpolitischen Bemühungen begleitet Ihr in euren Ländern?
Martin Gneist (Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt e.V.): Das Projekt JugendMachtZukunft als Projekt des KJR LSA in Kooperation mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration hat zum Ziel, eine Eigenständige Jugendpolitik im Land nachhaltig zu verankern:
- 10-Punkte-Plan als Rahmen/Verfahren der Landesverwaltung, der gemeinsam mit den Ressorts erarbeitet wurde -> Entwicklung eines Verfahrens, wie eine Beteiligung junger Menschen auf Landesebene funktionieren kann:
- Ergebnis einer Qualifizierungs- und Fortbildungsreihe
- Bedarfsanalyse (Expert*inneninterviews mit Mitarbeiter*innen der Landesverwaltung) im Vorfeld in den einzelnen Häusern
- Leuchtturmthemen als Ansatz/Methode der Beteiligung junger Menschen auf Landesebene -> Inhaltlicher Teil/Ansatz Beteiligung; in zwei Richtungen
- Junge Menschen kommen mit Themen auf JugendMachtZukunft zu und das Projekt bringt junge Menschen mit Entscheidungsträger*innen aus Politik und Verwaltung und Gesellschaft zusammen.
- Ministerien wollen Beteiligung organisieren und bittet JMZ um Unterstützung und Beratung in der Umsetzung
Die Landesregierung erkennt die Ergebnisse an und diese sind bereits in der Erarbeitung des 7. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung (KJB) (ÖPNV - Prozess) berücksichtigt worden. Aktuell fließen sie in die Erarbeitung des Jugendpolitischen Programms (JPP) ein, für das JMZ seit 2014 Bausteine entwickelt hat.
Yvonne Griep (Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern e.V.):
1. "Jung sein in MV"
In den Jahren 2018/ 2019 führte der Sozialausschuss des Landtages MV die Anhörungsreihe "Jung sein in MV" durch. Diese Anhörungsreihe war ein Ergebnis aus der Forderung junger Menschen bei "Jugend im Landtag" nach einer Enquete-Kommission "Jung sein in MV" (äquivalent zur bereits beendeten Enquete-Kommission "Älter werden in MV"). Neben den elf Abgeordneten des Sozialauschusses nahmen an allen acht Anhörungen immer die gleichen zehn vorher bestimmten Jugendlichen teil, von denen sechs von den Fraktionen und vier vom Landesjugendring bestimmt werden durften. Die Jugendlichen durften ebenso wie die Abgeordneten den Expert*innen Fragen stellen und schrieben im Anschluss an die Anhörungen Stellungnahmen zum jeweiligen Thema. Jeweils in der Zwischenanhörung und der Auswertungsanhörung sprachen die Jugendlichen im Ausschuss selbst als Expert*innen in eigener Sache zu ihnen besonders wichtigen Aspekten aus den vorhergehenden Anhörungen. Aktuell arbeitet der Sozialausschuss an einem Ergebnispapier und wir sind gemeinsam mit den Jugendlichen bemüht, dass ihre Forderungen aus der Anhörungsreihe Gehör finden.
2. Explizite gesetzliche Grundlagen für Kinder- und Jugendbeteiligung im Land
Seit 2010 gibt es in MV ein Seniorenmitwirkungsgesetz. Gesetzliche Regelungen für mehr/ bessere Jugendbeteiligungsmöglichkeiten wünschen sich junge Menschen in MV auch. Wir helfen Ihnen dabei und erhalten dabei Unterstützung vom Landesseniorenbeirat. Seit 2015 gibt es bei uns alle zwei Jahre den landesweiten Generationendialog mit Jugendlichen und Vertreter*innen des Altenparlaments. Hier haben Jung und Alt schon immer viele gemeinsame Themen und Anliegen gefunden und wollen dafür gemeinsam eintreten.
Gibt es dabei ressortübergreifende Ansätze?
Martin: Ja, auf verschiedenen Wegen: Zum einen gab es eine von uns organsierte und durchgeführte Qualifizierungs- und Fortbildungsreihe in der Landesverwaltung, bei der die verschiedenen Ministerien miteinander redeten, sich austauschten und ein gemeinsames Verständnis der Sache entwickelt haben. Zudem gibt es eine Interministerielle Arbeitsgruppe, welche sich unter anderem mit dem 7. Kinder- und Jugendbericht des Landes Sachsen-Anhalt sowie dem jugendpolitischen Programm des Landes auseinandergesetzt hat. Zuletzt haben wir in jugendpolitischen Fragen auch Kontakt zu Fachpolitiker*innen und damit eine Sensibilisierung für jugendpolitische Belange insgesamt. Herausforderung bleibt die Versäulung der Ministerien. die verschiedenen Hierarchien und Mandate sowie die Schwierigkeit, gemeinsam neue Inhalte zu entwickeln. Immerhin: Wenn es um Zuarbeiten geht, klappt die Zusammenarbeit problemlos.
Yvonne: Wir versuchen immer, aktuell für junge Menschen wichtige Themen anzugehen und schauen dann nach den jeweils wichtigen Ansprechpartner*innen. Einzelne Themen betreffen selten mehrere Ministerien/ Ausschüsse. Bei jugendpolitischen Formaten wie der Jugendanhörung "Jung sein in MV" oder "Jugend im Landtag" bzw. "Jugend fragt nach" entwickeln die Jugendlichen aber unterschiedliche Forderungen, die unterschiedliche Ministerien/ Ausschüsse betreffen und entsprechend gibt es z.T. im Nachhinein mit unterschiedlichen Ressorts Gespräche.
Wie und auf welchem Niveau wird Jugendbeteiligung umgesetzt?
Martin: Auf Landesebene gab es sowohl zum Jugendpolitischen Programm als auch zum Kinder- und Jugendbericht Anhörungen als Vorstufen der Partizipation. Bei Jugend Macht Zukunft wurden Jugendliche bei der Bearbeitung des ÖPNV-Themas einbezogen. Zudem beauftragte uns das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie im Rahmen des Projektes die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes von Jugendlichen bewerten und ergänzen zu lassen. Über das Projekt Jugend Macht Zukunft werden junge Menschen ermächtigt, sich selbstorganisiert für die eigenen Interessen einzusetzen. Alles darüber Hinausgehende setzt Übertragung von Entscheidungskompetenz bzw. -macht auf junge Menschen voraus, das ist in Sachsen-Anhalt bisher schwierig.
Auf Kommunalebene wurde mit dem Landeszentrum Jugend & Kommune (KinderStärken e.V.) durch das Land eine Struktur geschaffen, die sich um die Beteiligungsstrukturen auf kommunaler Ebene kümmert und dort Prozesse begleitet und organisiert.
Yvonne: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es regionale Kinder- und Jugendbeteiligungsmoderator*innen in Gebietskörperschaften, die sich finanziell beteiligen, wobei 50% der Kosten durch die Gebietskörperschaft getragen werden, 50% durch das Sozialministerium. Der LJR bemüht sich, weitere Gebietskörperschaften zu gewinnen. In den Jahren 2017/2018 organisierte der LJR eine eigene Fortbildung zu Moderator*innen für Kinder- und Jugendbeteiligung. Wir sind dabei Ansprechpartner*innen für Politik, Verwaltung, Multiplikator*innen und Jugendliche. Über Projekte wie die Anhörungsreihe "Jung sein in MV" und "Jugend im Landtag" können Themen und Erfahrungswelten der Jugendlichen den Landespolitiker*innen nahegebracht werden. Im direkten Dialog können die Jugendlichen zudem empowered werden, sich selbst für ihre Ideen stark zu machen. Einzelne Themen werden von der Politik weiterverfolgt. Regional versuchen wir ebenfalls immer wieder den Dialog zwischen Jugend und Politik zu organisieren - entweder zu Themen, die den Jugendlichen wichtig sind, oder die in der Politik gerade aktuell sind und bei denen junge Menschen eingebunden werden sollen.
Wie wird die Jugendbeteiligung fachlich bewertet?
Martin: Das Land und der KJR LSA sind zufrieden mit dem was JugendMachtZukunft plant und umsetzt, in den letzten Jahren konnte Vieles auf den Weg gebracht werden. Dennoch bleiben aktuelle Herausforderungen: für die Zukunft des Projekts wird noch Personal benötigt, die Rückkopplung und Transparenz mit Blick auf junge Menschen ist weiterhin viel Arbeit, angestoßene Prozesse müssen weiter begleitet werden. Gleichzeitig ist die Abwertung der Struktur der Interessenvertretungsstrukturen junger Menschen zu beobachten.
Yvonne: Im jüngsten Kinderrechte-Index des DKHW wurden die Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen als überdurchschnittlich bewertet.
Welche Bedeutung haben Entwicklungen auf Bundesebene für die Arbeit in den Ländern?
Martin: Das ist Rückenwind für das Thema Eigenständige Jugendpolitik im Land; es hätte keinen Anstoß bei der Politik gegeben sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen ohne den Prozess, der 2009 (AGJ Positionspapier) auf Bundesebene angestoßen wurde. Die positive Wahrnehmung von Sachsen-Anhalt auf Bundesebene sorgt für eine gegenseitige Verstärkung.
Yvonne: Die Entwicklungen auf Bundesebene geben auch uns Rückenwind und helfen beim wichtigen Blick über den Tellerrand.