Was ist der Landesjugendkongress?
Es geht um einen Kongress für Jugendliche, die in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung leben. Sie können dort in den Austausch darüber gehen, was sie wollen und was für sie wichtig ist. Es wird über Themen diskutiert, die vorab von den Jugendlichen in einer Zukunftswerkstatt erarbeitet wurden. Auf dem Kongress selbst erarbeiten die Jugendlichen dann Vorschläge, die sie an die Fachkräfte, an das Landesjugendamt und das Jugendministerium übergeben.
Was sind die Erkenntnisse aus den Kongressen?
Mir wird immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, die Jugendlichen zu fragen. Sie sind die Expert*innen in den Themen, die sie betreffen. Die Jugendlichen können für sich einstehen auf dem Kongress und dadurch auch mit viel mehr Selbstwertgefühl wieder rausgehen. Noch Jahre nach dem Kongress wird davon gesprochen, dass sie dieses Erlebnis hatten und dass sie in den direkten Austausch gehen durften mit dem Ministerium und dem Landesjugendamt, um ihre Belange loszuwerden.
Was sind Gelingensbedingungen dafür, dass die Ideen der Jugendlichen umgesetzt und gehört werden?
Ohne das Ministerium wäre der Jugendkongress nicht das, was er ist. Wir sind in den Austausch mit dem Ministerium gegangen und haben dort die Unterstützung und die Begleitung erhalten. Das Jugendministerium hat nicht nur die Schirmherrschaft übernommen, sondern nimmt auch die Belange der Jugendlichen wirklich ernst und bezieht sie in ihre Planungen und die Koordinierung mit ein. Für die Jugendlichen hat das einen großen Stellenwert zu erleben, dass sie gesehen werden. Zudem ist es auch so, dass der*die Minister*in die Eröffnungsrede halten und dort nochmal Worte der Anerkennung für die Jugendlichen mitteilen. Zum Ende des Kongresses überreichen die Jugendlichen dann die Ergebnisse im Ministerium. Das heißt, das ist eine ganz enge Zusammenarbeit und davon lebt das Ganze tatsächlich.
Wie können junge Menschen von Politik erreicht werden, die vom System benachteiligt werden?
Es wird immer wieder deutlich, dass Politik nur die Jugendlichen sieht, die es gelernt haben, sich zu äußern. Durch ihren familiären Hintergrund oder ihren schulischen Kontext. Das wird immer wieder in den Fokus gesetzt. Aber die Jugendlichen, die das noch nicht gelernt haben, rutschen unten durch. Da sollten wir als Fachkräfte einen großen Wert drauflegen, genau den Jugendlichen, denen es schwieriger fällt sich zu äußern, sich zu positionieren, diese auch entsprechend zu stärken und zu begleiten. Damit sie es vielleicht irgendwann schaffen, sich eigenständig nicht nur zu organisieren, sondern auch zu äußern, was ihnen wichtig ist. Und sich in der Politik auf kommunaler oder Landesebene zu beteiligen.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die jungen Menschen aus?
Für die Jugendlichen ist es selbstverständlich gewesen, dass sie viel Rücksicht nehmen und zu Anfang in ihrer Gruppe bleiben mussten, um sich gegenseitig zu schützen. Wir merken aber auch, dass dieses eine Jahr wirklich schon lang gewesen ist und dass es schwierig wird auf Dauer. Es wird immer wieder deutlich, wie wenig Jugend tatsächlich gesehen wird. Es geht nur darum, dass sie in die Schule sollen und Bildung in Schule ganz wichtig ist. Aber es gibt ja auch die anderen Orte der Bildung, die außerschulischen Kontexte, die Sozialisation der Jugendlichen, wo sie in den Austausch miteinander gehen. Das fehlt jetzt ja komplett und ich befürchte, dass es noch viele Nachwirkungen geben wird.
Was sind die Erwartungen an den nächsten Jugendkongress und was sind die nächsten Meilensteine?
Wir würden uns sehr freuen, wenn zukünftig auch die Jugendämter auf kommunaler Ebene in Schleswig-Holstein sich noch mehr aktiv einbringen würden. Auf Landesebene funktioniert das gut, aber uns fehlen die direkten Ansprechpartner*innen aus den Jugendämtern. Zudem würde ich es begrüßen, wenn wir die Jugendlichen noch mehr mit in die Planung einbeziehen könnten. Aufgrund der Digitalisierung durch die Corona-Pandemie sehe ich da auch eine große Chance drin, beispielsweise durch die Mitarbeit über Videokonferenzen. Richtig gut würde ich es finden, wenn es so einen Kongress auf Bundesebene geben würde. Das wäre eine Vision meinerseits, wenn es in allen Bundesländern ein ähnliches Modell geben würde und es dann auf Bundesebene mal einen Austausch geben könnte von Jugendlichen für Jugendliche.
Das Interview wurde am 09.02.2021 in Rendsburg geführt. Es ist im Rahmen eines Filmprojekts von jugendgerecht.de entstanden, bei dem aktuelle jugendpolitische Entwicklungen in Deutschland portraitiert werden.