Home > Eigenständige JugendpolitikYouth Work in Europa - im Blick der Wissenschaft

Marit Pelzer & Dr. Frederike Hofmann-van de Poll, Deutsches Jugendinstitut (DJI)

Youth Work [1] befindet sich als europäisches Arbeitsfeld in stetiger Entwicklung und in fortlaufendem Wandel. Dabei nehmen (jugend)politische Entwicklungen, Programme und Zielsetzungen als steuernde und rahmensetzende Elemente eine wichtige Rolle ein. Sie können von der nationalen Ebene, wie beispielweise die im vergangenen Jahr verabschiedete erste Jugendstrategie der Bundesregierung, in der ein Kapitel über „Europa und die Welt“ die Bedeutung grenzüberschreitender Jugendpolitik betont (Jugendstrategie der Bundesregierung, S. 144ff), oder von europäischen Institutionen, wie der EU und dem Europarat, gesetzt werden. Im Zuge einer Zusammenarbeit nationaler und europäischer Jugendpolitik ist umso bedeutender, dass Deutschland die kommende EU-Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2020) nutzen will, um in enger Zusammenarbeit mit europäischen Institutionen und Organisationen eine sog. „European Youth Work Agenda“ auf den Weg zu bringen.

In Vorbereitung auf diesen Agenda Prozess, der mit der Third European Youth Work Convention eingeleitet wird, wurde durch die Arbeitsstelle europäische Jugendpolitik am Deutschen Jugendinstitut eine systematische Dokumentenanalyse zur europäischen Debatte über das Thema Youth Work seit 2015 durchgeführt [2]. Die folgenden Ausführungen beruhen auf den Ergebnissen dieser Auswertung.

Ein Blick auf die politischen und fachlichen Dokumente, die auf europäischer Ebene mit „Youth Work“ im Titel veröffentlicht wurden, zeigt, dass sich die darin diskutierten Themen im Wesentlichen drei Bereichen zuordnen lassen:

  • Allgemeine politische Verpflichtungen, Werte und Menschenrechte (z.B. Partizipation, Inklusion)
  • Aktuelle politische Entwicklungen (z.B. Flüchtlingsthematik, europaweite Radikalisierungstendenzen)
  • Qualität und Rahmenbedingungen von Youth Work (z.B. Fachkräftequalifizierung).

Die inhaltliche Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung des europäischen Arbeitsfeldes Youth Work werden häufig nicht von Arbeitsfeld – oder Jugendpolitik – selbst gesetzt, sondern entstehen vielmehr in einer Verflochtenheit mit und einem Reagieren auf gesamtgesellschaftliche Herausforderungen und Themen. Dies bedeutet, dass viele europäische jugendpolitische Themen nicht in ihrer Bedeutung für die Jugend – also im Sinne eines „Jugend ermöglichen“ (vgl. 15. Kinder- und Jugendbericht) – thematisiert werden, sondern erst mal in Bezug zu und in Reaktion auf allgemeine politische Entwicklungen. Youth Work ist in diesem Verständnis ein Arbeitsfeld, dessen primäre Aufgabe auf die Bearbeitung gesellschaftspolitischer Herausforderungen zielt, und bei dem auch die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen oftmals als Beitrag zur Bearbeitung dieser Herausforderungen betrachtet wird. Dieses europäische Verständnis von Jugendpolitik, das sich insbesondere in den politischen Dokumenten widerspiegelt, wird an anderer Stelle von verschiedenen Akteuren immer wieder kritisiert (vgl. zuletzt AGJ Positionspapier „European Youth Work Agenda“, S. 7).

In den analysierten fachlichen Dokumenten wird trotzdem deutlich, dass auf europäischer Ebene darum gerungen wird, gesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen aus einer auf Jugend bezogenen Perspektive zu bearbeiten. Allgemeine gesellschaftliche Themen werden somit zu Jugendthemen gemacht und die Eigenständigkeit des jugendpolitischen Feldes betont. Eine größere politische und gesellschaftliche Wertschätzung und eine bessere Integration von Prozessen der Jugendbeteiligung könnten ein Beitrag dazu sein, Jugendpolitik und Youth Work auf europäischer Ebene stärker zu einem eigenständigen Handlungsfeld werden zu lassen. Die Entwicklungen, die diesbezüglich mit der „Eigenständigen Jugendpolitik“ in Deutschland angestoßen wurden, könnten hier ein Beispiel sein.

---

Die Arbeitsstelle europäische Jugendpolitik am Deutschen Jugendinstitut beschäftigt sich aus wissenschaftlicher Sicht mit europäischen jugendpolitischen Fragestellungen zu den Themenfeldern Youth Work und zur Demokratieförderung. Mit dem Ziel der Förderung des gegenseitigen Verständnisses unterschiedlicher Perspektiven europäischer und nationaler Akteure, verfolgt die Arbeitsstelle relevante Forschungsfragen und stellt Ihre Erkenntnisse Politik und Fachpraxis zur Verfügung. Die Arbeitsstelle europäische Jugendpolitik ist durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

---

[1] Der englische Begriff „Youth Work“ hat sich in der deutschen Fachdiskussion eingebürgert, um die Eigenständigkeit des europäischen gegenüber des deutschen Begriffs zu betonen (zum definitorischen Unterschied, siehe AGJ Positionspapier „European Youth Work Agenda“, S. 4-5).
[2] Die dazugehörige Publikation „The European Discussion on Youth Work 2015-2020“ ist für den Sommer 2020, passend zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, geplant und wird auf der Website der Arbeitsstelle abrufbar sein (www.dji.de/aejp).